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Die Krux mit dem Sicherheitsgefühl

Wiener Linien Sicherheitsgefühl Security

Immer wieder wird das subjektive Sicherheitsgefühl als Rechtfertigung der Politik für neue Sicherheitsmaßnahmen herangezogen. Doch Statistiken widersprechen dem Empfinden. Seit 1996 hat sich das Sicherheitsgefühl der Österreicher nur minimal verschlechtert. Was Geschlecht, Alter und das Wahlverhalten mit dem subjektiven Sicherheitsempfinden zu tun haben und wie die Wiener Linien versuchen es zu erhöhen.

Plötzlich wird es laut. Aufgeregte Stimmen übertönen den Song der Künstlerin, die gerade ihre Lieder, in der für die U-Bahnstars bereitgestellten Zone, zum Besten gibt. Vor dem U3 Supermarkt in der Station Westbahnhof bildet sich eine Menschentraube. Sechs Securitys stehen rund um eine Gruppe „Punks“, die es sich vor dem kleinen Laden gemütlich gemacht hat. Als die aufmüpfige Truppe gebeten wird die Station zu verlassen, protestieren sie lautstark. Was folgt ist eine hitzige Debatte. Kurz darauf ist die Situation geklärt und die Störenfriede ziehen in Richtung Ausgang ab. Einmal noch kurz die Meinung kundtuend, verschwinden sie in die kühle Nacht Wiens.
Laut Auskunft der Pressestelle sind solche Situationen eher die Ausnahme. Hauptaufgabe der Securities ist es die Hausordnung in den Stationen zu überwachen. „Dass das Skaten in der Station nicht erlaubt ist, ist bei den Menschen glaube ich noch nicht so richtig angekommen“, erzählt der Pressesprecher. „Dass es ein Rauchverbot gibt, sollte aber mittlerweile hinlänglich bekannt sein! Trotzdem sind das eigentlich die häufigsten Verstöße auf welche die Sicherheitsleute hinweisen müssen.“

In der Ruhe liegt die Kraft

Seit August 2017 gibt es die hauseigene Sicherheitstruppe der Wiener Linien, die sich in solchen Situationen um eine friedliche Lösung bemüht. „Unser Personal ist darauf geschult deeskalierend auf die Beteiligten einzuwirken“, erzählt Daniel Aman, Pressesprecher der Wiener Linien. Bevor die Sicherheitstruppen tatsächlich auf die Straße dürfen, müssen sie eine spezielle Ausbildung durchlaufen. Dort wird neben Netzkunde und einem Erste-Hilfe-Kurs auch ein Deeskalationstraining absolviert. „Allein durch das ruhige Auftreten können eigentlich die meisten Probleme gelöst werden“, führt Aman weiter aus. Sollte es trotzdem einmal zu körperlichen Übergriffen kommen, führen sie einen Pfefferschaum mit sich, der, neben einer schnittfesten Weste, teil der Standardausrüstung ist. Aktuell sind fünfzig Securitys unterwegs. Bis zum Jahr 2019 ist eine Aufstockung auf hundertzwanzig Mitarbeiter vorgesehen. Auch zuvor, seit April 2016, war schon Sicherheitspersonal im Einsatz. Dieses war jedoch bei der externen Sicherheitsfirma Securitas angestellt. Seitdem die Sicherheitsleute der Wiener Linien unterwegs sind, verzichtet man aber auf die Zusammenarbeit mit externen Firmen und setzt auf interne Kompetenzen.

Das kleine Problem mit dem Sicherheitsempfinden

Mit den Worten „Es gibt ein kleines Problem wenn es um das subjektive Sicherheitsempfinden der Bevölkerung geht“, rechtfertigte Innenminister Herbert Kickl am 21. Februar 2018 das neue Sicherheitspaket. Dabei wiederlegt eine Studie des European Social Survey (ESS) und des Eurobarometers genau diese These. Demnach hat sich nämlich seit 1996 das Sicherheitsgefühl der Österreicher kaum merklich verschlechtert. Auch die Kriminalitätsstatistik des Bundeskriminalamts stützt die Aussagen von Kickl nicht. Hier sind
die fünf großen Kriminalitätsfelder („Big Five“) seit 2008 aufgeschlüsselt. Diesen fünf Feldern – Gewaltkriminalität, Wohnraumeinbrüche, Wirtschaftskriminalität, KFZ-Diebstähle und Cyberkriminalität – wird besondere Bedeutung für das subjektive Sicherheitsempfinden der Bevölkerung beigemessen. Bis auf den Bereich Cyber- und Wirtschaftskriminalität ist, im langfristigen Trend, eine positive Entwicklung festzustellen.

Sicherheit auf allen Ebenen

Sicherheitsgefühl Wiener Linien KameraüberwachungTrotz alledem haben es die Wiener Linien der Politik gleich getan und ein neues Sicherheits- und Servicepaket angekündigt. 800 neue Kameras sollen die Security bei ihrer Arbeit unterstützen und der Polizei im Bedarfsfall wichtige Hinweise liefern. Mit den bereits vorhandenen 11.000 Kameras sind alle 109 U-Bahnstationen, sowie ein Großteil der Fahrzeuge, videoüberwacht. Ebenfalls einen Beitrag zum Wohlfühl- und Sicherheitsfaktor, sollen die Umstellung auf flächendeckende LED-Beleuchtung, eine erhöhte Sauberkeit und die seit 2017 in den Stationen auftretenden U-Bahnstars leisten. Bei der Präsentation des Pakets betonte Öffi-Stadträtin Ulli Sima (SPÖ): „Die Öffis sind schon heute einer der sichersten Orte Wiens und das sollen sie auch bleiben“.

Sag mir wen du wählst und ich sage dir wie sicher du dich fühlst

Mit der 2015 ins Leben gerufenen Initiative „Sicherheit für Frauen: Hinschauen statt wegschauen“ haben die Wiener Linien ein spezielles Augenmerk auf das subjektive Sicherheitsgefühl der Frauen gelegt. Damit reagieren sie auf einen wichtigen Aspekt der Sicherheitsdebatte. Danach befragt wie sicher man sich alleine auf dem Nachhauseweg fühle, antworteten, bei einer im Jahr 2016 durchgeführten Studie des ESS, 29,7% der Frauen und nur 12,8% der Männer mit „unsicher“. Auch ältere Menschen ab 66 Jahren fühlen sich wesentlich unsicherer und sind somit ein Beweis dafür, wie sehr das subjektive Sicherheitsempfinden von der Realität abweichen kann. Denn: Ältere Menschen werden, laut der offiziellen Zahlen des Innenministeriums, viel seltener Opfer von Kriminalität. Weitere Faktoren sind der Wohnort – Städter fühlen sich tendenziell unsicherer als Menschen, die auf dem Land leben – und auch die politische Gesinnung kann einen Unterschied ausmachen. Mit dem Höchstwert von 38,1% fühlten sich FPÖ/BZÖ-Wähler 2016 am unsichersten. Zum Vergleich: Unter SPÖ und ÖVP-Wählern gaben 20,1% an sich unsicher zu fühlen. Am sichersten fühlten sich die Urnengänger der Grünen mit 7%.

Ordnung muss sein

Zurück in der Station Westbahnhof: Die Securitys sind gerade von einem ihrer Rundgänge zurückgekommen und stehen bei zwei Kollegen mit denen sie sich austauschen. Kurze Zeit später ruft ein pöbelnder Betrunkener die Einsatzkräfte auf den Plan. Der um die Gitarrenspielerin der Aktion U-Bahnstars herumtanzende Mann stört mit lautem Gerede die Musikerin und belästigt die rundherum stehenden Zuseher. Ohne große Aufregung schlendern die Sicherheitsleute zum Geschehen und komplimentieren den Unruhestifter aus der Station. Bestimmt nicht der letzte Vorfall an diesem Abend.

-Ralf Waldhart-

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